Skip to main content

Heute: Carrosserie Bra, Aclens (VD)

Viel Knowhow, Durchsetzungskraft, Geschäftssinn, Temperament, Mut, Charme, Witz, Begeisterung, Engagement sowie eine feine Antenne für Menschen und ein Gespür fürs Wesentliche – Hélène Bra, alleinige Eigentümerin der Carrosserie Bra in Aclens nahe Morges, hat alles, was eine Unternehmerin auszeichnet, um erfolgreich zu sein und zu bleiben. Zudem ist sie als Präsidentin der Sektion Waadt von «Carrosserie Suisse» nicht nur hervorragend vernetzt, sondern sie liebt ihren Beruf und die damit verbundenen Herausforderungen auf eine Art, die man nur mit dem Wort «Leidenschaft» erklären kann. Was sie übrigens auch passend als Philosophie für ihr Unternehmen auf den Punkt bringt – mit dem Slogan «Votre voiture, notre passion».

Allerdings spielt das Wort «Durchsetzungsvermögen» oder wie oben beschrieben «Durchsetzungskraft» im Leben der gebürtigen Spanierin («Es gibt nichts Besseres, als eine doppelte kulturelle Zugehörigkeit zu haben. Sich im Gastland wohlzufühlen und mit den eigenen Wurzeln im Einklang zu sein, ist ein grosser Vorteil») eine ganz zentrale, leider auch tragische Rolle. Und das kam so.

Historisch gesehen haben Hélène und ihr Ehemann Emilio Bra die Carrosserie Bra gegründet, indem sie in den Siebziger Jahren im Mietverhältnis die Räumlichkeiten eines bestehenden Betriebes in Yens sur Morges übernahmen. Dann, zwanzig Jahre später, war alles zu klein geworden, doch für Geschäftserweiterungen gab es keinen Platz. Deshalb erwarb das Ehepaar 1998 am heutigen Standort in Aclens ein 500 Quadratmeter grosses Grundstück und baute einen Betrieb auf, der heute weit herum als Vorzeigebeispiel gilt.

Acht Jahre später schlug das Schicksal brutal zu: Der Unfalltod von Emilio zwang Hélène Bra zu drastischen Veränderungen. Sie, ihre nähere Familie und die beiden Söhne beschlossen daraufhin, den Betrieb weiterzuführen. Mit an Bord: Hélène, Patrick als einer der Söhne, und ein Team von Fachleuten. «Sie haben es im Laufe der Jahre geschafft, das Unternehmen unter unserer Leitung und mit unseren Kriterien in eine Position zu bringen, in der Kompetenz und Know-how anerkannt werden», sagt Hélène Bra rückblickend mit etwas Stolz.

Sich mit der Geschäftsfrau auszutauschen, die Literaturwissenschaft studiert und davon geträumt hat, Lehrerin zu werden (was damals ohne Einbürgerung nicht möglich war), ist für jeden eine Bereicherung. Allein schon ihre Antwort auf die Frage, wie jung sie eigentlich sei, ist Unterhaltung pur. «Ich bin im Alter, in dem man die Wissenschaft der Existenz und die Weisheit der Erfahrungen besitzt», sagt sie ausweichend – wohlwissend, dass ihr «natürlich schon klar ist, dass dies nach einer allgemeinen Aussage klingt». Also fügt sie an: «Objektiv betrachtet haben mich meine Jahre gelehrt, nicht auf dem Erreichten sitzen zu bleiben, sondern mir Ziele zu setzen, die über meine Komfortzone hinausgehen.» Das sitzt. Aber wie jung ist sie nun wirklich? «66 Jahre», kommt es schliesslich aus ihr heraus. Allerdings nicht ohne die Anfügung, dass das Alter für einen echten Carrossier völlig unwichtig sei. «Einstellung, Weiterbildung und weitreichende Fähigkeiten – das sind die ausschlaggebenden Dinge, die ein guter Unternehmer im Auge behalten muss», will sie abschliessend zu diesem Thema festgehalten haben.

Natürlich möchte ein mitfühlender Mensch gerne noch genauer wissen, wie Hélène Bra die schwere Zeit nach dem Tod ihres Mannes beruflich gemeistert hat und wie es ihr gelungen ist, das Familienunternehmen in der Erfolgsspur zu halten. Also frage ich direkt nach. «Meine Kenntnisse in Unternehmensführung, Buchhaltung und Personalverwaltung waren damals schon gefestigt, die ersten hohen Hürden also überwindbar», sagt sie. Ausserdem sind ihre beiden Söhne, mit denen sie gemäss eigener Aussage «eng befreundet ist und die sie bei ihren Entscheidungen begleiten», eine überaus wichtige Stütze.

Später haben ihr dann auch noch die bis heute zwölf Jahre dauernde Präsidentschaft von «Carrosserie Suisse Waadt» geholfen. «Das Amt ist aus persönlicher und beruflicher Sicht eine gewaltige Herausforderung. Kein Studium bereitet auf die Leitung eines Berufsverbands oder eines kantonalen Berufsbildungszentrums vor. Dennoch sind Fähigkeiten im Management nötig, um in allen Bereichen und auf allen Stufen Entscheidungen treffen zu können», sagt die Frau, die gerne führt, aber durchaus auch bereit ist zu delegieren.

Allem vorausgegangen ist, dass die junge Hélène direkt nach dem Studium eine Stelle in einem Bankinstitut angetreten hat, in der Kreditabteilung. Später übernahm sie die Leitung eines Tennisklubs. «Die Vielfalt dieser Positionen waren die beste Weiterbildung und ermöglichten Kompetenzen, die mir in der Weiterführung des Familienbetriebes geholfen haben», sagt sie. Hinzu kam, dass Patrick, der damals an der Hochschule für Wirtschaft studiert hat, sein Vollzeitstudium in eine berufsbegleitende Halbtagsstelle umgewandelt hat, «um sich mir in einem aussergewöhnlichen Abenteuer der Verantwortung und Freiheit in der Automobilwelt anzuschliessen.»

Diese Automobilwelt besteht heute aus einem leistungsfähigen Carrosserie- und Lackierbetrieb, in dem sich elf Mitarbeitende um ein Rundum-Dienstleistungsangebot kümmern. Natürlich steht auch Weiterbildung oben in der Prioritätenliste: «Das ist ein wesentlicher Bestandteil unserer Stärken. Auf der Grundlage des GAV, den wir als Mitglied von Carrosserie Suisse anwenden, sind drei Tage Weiterbildung pro Jahr für jeden Mitarbeitenden obligatorisch», hält die Chefin fest. Dabei stehen Schulungen für die Abteilungen Verwaltung (die dank Digitalisierung mit einem sehr leistungsfähigen Programm arbeitet, das im gesamten Unternehmen eingesetzt wird) und Werkstatt im Fokus – hier insbesondere hinsichtlich neuer Produkte und Techniken.

Seit Kurzem hat sich die Carrosserie Bra über den Lacklieferanten «Nexa Autocolor» zum Mitglied von «Certified First Switzerland» (CFS) einschreiben lassen. Ein Entscheid, mit dem die Firmenführung die eigene Position stärken und Verbindungen zu neuen Geschäftspartnern herstellen möchte. Und dabei gemäss dem eigenen Anspruch Beziehungen pflegen, sich austauschen und eigene Ideen einbringen will.

Etwas wollen wir zum Schluss aber noch wissen: Hat Hélène Bra neben der Präsidentschaft von «Carrosserie Suisse Vaudoise» und der Leitung des Unternehmens überhaupt noch Zeit für ein Hobby? «Aber klar», ist die Antwort. «Für einen Unternehmer ist es eine Notwendigkeit, ab und an den Kopf aus der Schlinge zu ziehen und anderen Interessen wie Reisen, Schreiben, Sport und Freundschaft nachzugehen», sagt sie. Und fügt lächelnd an: «Und dabei niemals unter keinen Umständen Viva la vida vergessen.»